Seit gestern, 7. Oktober, wird es historisch – denn gestern erwachte im Friedrichstadt-Palast die wohl größte Königin des alten Ägyptens, Nofretete, zu neuem Leben: THE WYLD heißt die spektakuläre Show, die vom international gefeierten französischen Mode-Designer Manfred Thierry Mugler mit-entworfen und nun von der weltgrößten Theaterbühne in der aufwändigsten Produktion außerhalb Las Vegas’ präsentiert wird.

Der Startschuss für das Projekt-Spektakel THE WYLD fiel natürlich nicht erst in diesem Jahr. Der erste Austausch von Ideen zwischen Thierry Mugler und Friedrichstadt-Palast fand bereits vor der Premiere der dortigen Erfolgsshow ‚Yma‘, also im Spätsommer 2010 statt. Doch sollte der lange Vorlauf seinen Grund haben: THE WYLD ist heute mit Kosten von rund 10,6 Millionen Euro die bisher teuerste Produktion in der 95-jährigen Geschichte des Theater-Hauses.

Die Geschichte entführt die Zuschauer an einen Ort, der zwischen Himmel und Erde liegt – und dabei doch Berlin ganz nahe bleibt. Sei es die Frau, die hoch oben im Fernsehturm lebt und sich mehr dem außerirdischen als dem irdischen Leben hingezogen fühlt, oder die Büste der Nofretete, die im Neuen Museum erwacht und in ihrer endlos jungen Schönheit von einem ganz anderen Planeten zu stammen scheint – in THE WYLD treffen alte auf neue Welten und intergalaktisches Leben auf großstädtische Paradiesvögel. Es ist die Diversität der Wesen, egal ob von diesem oder einem anderen Planeten, die bei der gigantischen Show im Vordergrund steht und in den einmaligen Kostüm-Entwürfen Thierry Muglers ihren Höhepunkt findet.

The Wyld Skizzen 1 The Wyld Skizzen von Thierry Mugler

So wild und bunt die Outfits, so wild und bunt auch das Programm – welches sich unter anderem einem spektakulären Event im sogenannten „Club der Nofretete“ widmet. Dabei handelt es sich um eine Party, die ein wenig im Berghain-Stil daherkommt. Das bedeutet, Zuschauer dürfen sich hier nicht nur auf mitreißende Elektro-Beats, sondern auch auf in jederlei Hinsicht abgefahrene Typen freuen – denn hier gilt: „Jeder kann kommen wie er will, anything goes!“ Eben ganz Berlin-typisch. Dass dieses Motto tatsächlich wörtlich zu nehmen und mit besonders außergewöhnlichen Garderoben zu rechnen ist, beweist ein Blick auf die offiziellen Kostüm-Skizzen Thierry Muglers. Ob nun die Drag-Queen mit ihrem Zepter (Skizze 3), ein Feder-Geschmückter Junge (Skizze 5), eine anmutige Bauchtänzerin (Skizze 8), schrille Punks (Skizzen 7 und 9) oder prächtig-ummantelte Damen (Skizzen 2 und 5) – sie alle haben ihren Auftritt bei der Nofretete-Party. Insgesamt sind es in etwa 20 verschiedene Kostüme, die allein hier den Fokus weg von Gleichförmigkeit, und stattdessen auf die schier unglaubliche Vielfalt von Menschen lenken und für wahre Club-Atmosphäre sorgen.

The Wyld Skizzen  von Thierry Mugler 2 The Wyld Skizzen von Thierry Mugler

Damit das Spektrum an Kostümen in vollem Umfang genossen werden kann, wird für THE WYLD natürlich auch die Bühne des Friedrichstadt-Palastes in all seiner Wandelbarkeit genutzt. So bewegt sich das auf der Vorbühne befindliche Hub-Podium während der Show vollständig nach oben. Dadurch soll weitere imposante Bühnenarchitektur sichtbar gemacht und dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben werden, auf unterschiedlichen Etagen stattfindende Ereignisse parallel zu verfolgen.

Und die sind mitunter sogar schweißtreibend sportlich – wie im Falle der Outfits, welche sich in Skizze 11 ankündigen: Dieses Kostüm wird von vier Artisten getragen, die dem bekannten ukrainischen Ensemble ‚White Gothic‘ angehören und eigens für THE WYLD engagiert wurden. White Gothic präsentieren eine spezielle Form von Artistik, sogenannte Equilibristik, bei der Gleichgewicht und Körperspannung eine zentrale Rolle spielen. Auffällig ist hier vor allem der ägyptisch-anmutende Stil des Kostüms. Er ergibt sich dadurch, dass die Performance in die geheimnisvolle Geschichte um die ägyptische Schönheit Nofretete eingebettet ist.

Ebenso Teil einer eigenständigen Nummer ist das Kostüm des sogenannten Zoo-Girls, wie es sich in Skizze 10 zeigt. „Seven Girls, Seven Chairs“ ist der Titel ihres Programm-Abschnitts, bei dem sieben extrem-unterschiedlich gekleidete Frauen – vom Punk-Girl mit Irokesen-Frisur, bis hin zur stilsicheren Dame der 20’er-Jahre – auf ebenso unterschiedlichen Stühlen eine verführerische Choreographie darbieten, die nicht zuletzt natürlich jedes einzelne der Outfits in eimaliger Weise akzentuiert. Und spätestens, wenn es dann auf das große Finale der bombastischen Show zugeht, dürfte sich im Publikum auch die letzte Kinnlade gefährlich dicht dem Boden genähert haben. Hier treffen bei einer großen Party Menschen auf Außerirdische und es tanzt jeder mit jedem. Klingt bunt und außergewöhnlich? Ist es auch! Das besondere i-Tüpfelchen bei der Sache: Die Alien-Party kommt ganz im Retro-Stil der 60’er-Jahre daher (Skizzen 1 und 3).

The Wyld Skizzen  von Thierry Mugler 3 The Wyld Skizzen von Thierry Mugler

Insgesamt bieten sich den Zuschauern bei THE WYLD über 500 Kostüme – vollständig designed von Thierry Mugler und seinem italienischen Kollegen Stefano Canulli. Angefertigt werden die Outfits dabei sowohl hier in Berlin, als auch in Paris und in weiteren, externen Werkstätten. Dafür beherbergen alle Produktionsorte die jeweiligen Original-Skizzen, nach deren Anleitung geschneidert wird. Dem Zufall überlassen wird natürlich nichts: Jeder Figurine hängen Proben der jeweils zu verwendenden Stoffe und Materialien an. Nach diesen und anderen strikten Anweisungen richten sich die Kostümwerkstätten bedingungslos. Dass es einen endgültigen Produktionsstopp dabei meist gar nicht gibt, ist wenig verwunderlich. Immer wieder müssen Outfits im Laufe der zweijährigen Spielzeit aufgearbeitet oder sogar neu-erstellt werden.

Trotz des nun gigantischen Aufgebots unterschiedlicher Kostüme innerhalb der Show – längst nicht alle skizzierten Ideen haben es auf die große Bühne geschafft. Bis zuletzt wurden immer wieder Figurinen verworfen oder gegen gänzlich andere ausgetauscht. Denn blickt man einmal hinter die Kulissen, entpuppt sich die Arbeit mit der Garderobe als stets-fließender Prozess – eine unaufhaltsame Entwicklung zwischen den Bereichen Storyboard, Drehbuch, Musik, Choreographie und natürlich Kostüm. Verändern sich die Bedingungen und Anforderungen in einem Gebiet, hat dies meist gleichermaßen Auswirkung auf alle anderen. Und so weicht das eine Outfit, welches eben noch so perfekt zu sein schien, plötzlich einem völlig neuem, das vorher gar nicht eingeplant war.

Entscheidungen darüber, wie die finalen Kostüme letztendlich auszusehen haben und verarbeitet sein müssen, trifft zwar hauptsächlich, aber – entgegen so mancher Vermutung – durchaus nicht nur der französische Star-Designer. Zwar versucht dieser seine Wünsche vollständig umzusetzen, muss gegebenenfalls jedoch auch darauf Rücksicht nehmen, wenn manche Pläne den machbaren Rahmen des Budgets sprengen. Nicht zuletzt spielt natürlich auch die Praktikabilität der Garderoben eine wichtige Rolle: Kostüme, die beispielsweise in zwanzigfacher Ausführung für die berühmte Girl-Reihe des Palastes angefertigt werden, müssen schließlich auch Show-Resistent, das heißt strapazierfähig sein. Und so werden immer erst mehrere Stoffproben bestellt, geprüft, welches Material in welchem Fall geht, und die letzten Entscheidungen dann gemeinschaftlich von Thierry Mugler und dem Friedrichstadt-Palast getroffen. Dem bombastischen End-Ergebnis sind diese vorausgegangenen organisatorischen Herausforderungen in keinster Weise anzumerken.

Übrigens – wer sich jetzt fragt, was mit den Original-Skizzen geschieht, wenn die Show vorbei ist: Darüber ist (noch) nichts bekannt. Freiwillig von ihnen trennen wollen, dürfte sich wohl niemand. Mal ehrlich, wer gibt schon gerne kleine Kunstwerke her?

THE WYLD – Weltpremiere am 23. Oktober

The Wyld Tickets gibt’s bei Ticketmaster!

Skizzen:
Art Direction: Manfred Thierry Mugler | Kostüme: Manfred Thierry Mugler & Stefano Canulli